Wer unbedingt einmal einen erbärmlichen Theaterabend erleben möchte, sollte sich "Helena" im Burgtheater unter der Regie von Luc Bondy im Rahmen der Wiener Festwochen 2010, immerhin mit Birgit Minichmayr in der Titelrolle, anschauen.
In New York mag in vielen Bereichen die Avantgarde beheimatet sein. In Sachen zeitgenössisches, experimentelles Theater jedenfalls nicht. "Ich würde sagen, die Kunstform Theater ist bei uns am weitesten zurückgeblieben", meint die Autorin Young Jean Lee und bildet dabei selbst keine Ausnahme. In "The Shipment" arbeitet sie sich in drei Einaktern ironiefrei an verschiedenen Rassenstereotypen ab. Dem schauspielerischem Einsatz des afro-amerikanischen Ensembles verzeiht man fast die Schwächen des Texts.
Der Turbo Folk vom kroatischen Nationaltheater raste durch das Schauspielhaus Wien im Rahmen der Festwochen und bot bei der Premiere am 4. Juni 2010 eine reichlich skurrile und in erster Linie plakative und trashige Schauspiel-Revue.
Die Zweifel im Vorfeld waren unberechtigt. Weder war ein halber Tag im Theater zu viel des Guten noch verkam die Halle E im Museumsquartier zum riesigen Schlafplatz. "I Demoni - Die Dämonen" von Dostojewski unter der Bearbeitung und Inszenierung von Peter Stein war kein öder Ruhepolster, sondern spannungsgeladene Kurzweiligkeit.
Die Wiener Festwochen warten mit einer Adaption des französischen Filmklassikers "Hass" von Mathieu Kassovitz auf. Hervorragend umgesetzt, wird das alte Gaswerk Leopoldau in vielen Perspektiven bespielt und zeigt auf, wie es ist, wenn man in einer Umgebung aufwächst, in der Respekt keine Rolle spielt und der Hass regiert.
Achtung: Bereitmachen! 100 Wienerinnen und Wiener, ausgewählt nach einem statistischen Raster, stellen sich - als repräsentativer Querschnitt der Stadt - den Fragen von Rimini Protokoll. Bis ein Mitarbeiter des Statistischen Zentralamts gleich viele Personen befragt hat, muss er deutlich mehr Anrufe tätigen, Überzeugungsarbeit leisten und gelegentlich auch mit einer Verwaltungsstrafe (bis zu 280 €) für eine Auskunftsverweigerung drohen. Schauplatz der großen Frage-Antwort-Inszenierung war die Halle E im Museumsquartier.
Die Anekdotenerzähler erinnern sich zur Dia-Schau von Mārtiņš Grauds an ihre Friedhofsfeste. Eine lettische Tradition bei der Picknick, Tanz und Treffen mit der gesamten Verwandtschaft mindestens so wichtig sind, wie das Gedenken der Toten. Nicht fehlen darf dabei die Blasmusik, weshalb alle Schauspieler für "Kapusvētki" ein Blasinstrument lernen mussten.
Das 3raum-Anatomietheater drohte aus allen Nähten zu platzen. Leider nur drei Abende lang war dort "Party Party!" zu sehen, ein Projekt, das Regisseur, Schauspieler und Musiker Hakon Hirzenberger mit dem zweiten Jahrgang der Schauspielschule Elfriede Ott durch Interviews und Improvisationen erarbeitete und zu einem Theaterstück verarbeitete.
Der Roman "Berlin Alexanderplatz" von Alfred Döblin, erschienen 1929, erzählt die Geschichte vom Franz Biberkopf und gilt als einer der bedeutendsten deutschen Großstadtromane.
25 Minidramen zeitgenössischer Autorinnen Autoren wurden von Lukas Cejpek und Margret Kreidl auf die Theaterbühne gebracht und zu einem lustvollen Ganzen inszeniert. Frisches Blut also im Schauspielhaus Wien als Würdigung zum Jubiläum 25 Jahre Alter Schl8hof Wels.
Die Geschichte von Aschenputtel als Ausgangsbasis präsentiert Regisseurin Claudia Bühlmann in "TouchingCinderElla" als Performance mit Tanz, Stimme und Schauspiel für junge Menschen ab 9 Jahren.
2007 avancierte der Film "Die Herbstzeitlosen" von Sabine Pochhammer und Bettina Oberli zum Publikumshit in der Schweiz. Mit über 800.000 Kinobesuchern war er einer der erfolgreichsten Schweizer Filme aller Zeiten und der eidgenössische Oscar-Beitrag des Jahres 2008. Nach dieser erfolgreichen Vorlage hat der Vorarlberger Autor Stefan Vögel das Theaterstück "Altweiberfrühling" verfasst, das am 8. April 2010 in den Wiener Kammerspielen Premiere feierte.
Berliner Gäste in Wien. Das honorige Maxim Gorki Theater schickt eine Studioproduktion ins pulsierende und unter der erquicklichen Intendanz von Andreas Beck höchst theaterlebendige Wiener Schauspielhaus. Und auch dieser Abend entpuppt sich als Glücksfall, wenngleich angesichts des bearbeiteten Themas einem das Wort "Glück" nur schwer über die Lippen kommt.
Das Stück "Norway.today" von Igor Bauersima wurde schon mehrmals auf die Bühne gebracht, und hat nach dem Theater der Jugend jetzt auch den Weg auf die Bühne des Dschungel Wien geschafft. Es spielen Christian Ruthner (August) und Felicitas Lukas (Julie), Regie von Günther Wiederschwinger.
In der Neuübersetzung von Thomas Brasch, adaptiert für das Wiener Burgtheater, findet unter der Regie von Claus Peymann das große Zaudern in Richard II. statt. Nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht Sprache.
Das fünfte Gebot ist das Einzige auf das wir uns heute noch einigen können. Du sollst nicht töten. Zumindest 70% der Befragten sind dieser Meinung. Eine noch größere Zahl jedoch - 85 % - hatte schon einmal den Wunsch jemanden umzubringen. Wenn etwas so klar ist, wie kann man darüber diskutieren? Ilija Trojanow hat für das Nachbarhaus vom Schauspielhaus Wien eine Etüde dazu verfasst.
"Überraschung!" - Das wahrscheinlich beste Theaterstück für die Allerkleinsten kommt nach einer Tournee um den halben Erdball - nachdem es eine Asien- sowie Südamerikatournee hinter sich gebracht hat, und sogar im Juni 2009 im Opernhaus von Sydney zu sehen war - wieder in den Dschungel Wien zurück.
Es gibt eine Zeit für die Liebe und es gibt eine Zeit für den Krieg. Die Menschen verstecken sich hinter teuren Sachen aus Angst verletzt zu werden. Vom anderen sieht man dann nur gerade soviel, um ihn verwunden zu können.
Beim Figurentheaterfestival "dreizurdritten" gab es sowohl ein internationales Gastspiel vom Ensemble Materialtheater, als auch die erste abendfüllende Produktion der heimischen Gruppe Krokodil zu bestaunen. Die deutschen Gäste erzählten auf clownesque Art die Geschichte von der Beziehung der Dinge zu den Dingdalern, während das zweite Stück den Beziehungen der Menschen nebeneinander gewidmet war.
Im Schauspielhaus Wien hat Daniela Kranz ein Kondensat von Ilija Trojanows Grenzüberspringendem Schelmenroman "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall" auf die Bühne gebracht. Nach einem zähen Drittel werden die Charaktere langsam greifbar und es kommt doch noch Schwung in die Geschichte.
Ein alter Meister als Theatermacher, naturgemäß. "Österreich selbst ist nichts als eine Bühne: Thomas Bernhard und das Theater" ist das Begleitbuch zur Ausstellung im Österreichischen Theatermuseum, herausgegeben von Manfred Mittermayer und Martin Huber.
Felix Mitterer hat sich die Verhörprotokolle und das psychiatrische Gutachten im Falle des Briefbombers Franz Fuchs hergenommen und daraus einen theatralen Monolog geschaffen, der sowohl erhellend als auch beklemmend in die brutalen Abgründe eines "normalen, intelligenten" Menschen blicken lässt.
Regisseurin Corinne Eckenstein hat gemeinsam mit den Darstellern aus ihren Erfahrungen als Mutter von zwei Kindern und Anekdoten aus ihrer eigenen Kindheit mit "Matilda!" ein humorvolles Stück über Anarchie im Kinderzimmer entwickelt.
Ein antikapitalistisches Weihnachtsmärchen für Kinder ab 4 - das klingt nach belehrendem Tonfall inmitten romantisch verklärter Schneeflocken - aber nichts von dem ist dem schönen "Drei Taler Märchen" als Musical anzumerken. Im Gegenteil, rasantes Spiel, schmissige Lieder, und das alles in einer Atmosphäre des kindlich begeisterten Brodelns im Publikum.
Einen Monat lang sind der Choreograf Daniel Aschwanden und der Dramaturg Peter Stamer den Weg des Geldes quer durch China gefahren. Die beiden Künstler brachten einen 10-Yuan-Schein (umgerechnet ein Euro) in Umlauf und beobachteten seinen Weg. Unter dem gefährlichen Attribut "Performance" versetzten sie das Publikum im Tanzquartier Wien (TQW) für 90 Minuten in einen ungewöhnlichen, beeindruckenden Reisebericht für alle Sinne.
Wir schreiben das Jahr 1537 und befinden uns in Florenz: Es regiert der Herzog Alessandro de Medici, der sich mehr für seinen ausschweifenden Lebensstil interessiert, als die Politik. Statt zu murren, gleichgültige Beteiligung der Bevölkerung. Die Stadt versinkt im Chaos. Wir schreiben das Jahr 2009 und befinden uns in Wien: Es regiert der Wissenschaftsminister Johannes Hahn, der sich weder für Ausschweifung noch für Politik interessiert. Die Studenten protestieren auch im Burgtheater. Für manchen Bürger eine unbequeme Störung des Betriebs.
Neun Jugendliche vom Freedom Theatre Jenin gastierten im Dschungel Wien im Rahmen des Festivals Salam Orient 2009 und brachten durch eine Tanz-Perfomance Geschichten aus ihrem Leben auf die Bühne. Im Anschluss daran wurde zu einer Diskussion zum Thema "Jugend in Krisenregionen" gebeten.
Realistischer Darstellungswillen mit minutiösen Schilderungen des Alltags der Familie Pinneberg zeichnet den Roman von Hans Fallada aus. Ein Stück Literaturgeschichte und zugleich ein Psychogramm, das nun wieder einmal auf die Theaterbühne gebracht wird.
Da haben sich die Frauen- und Herrenschaften vom Schauspielhaus Wien zum Gaudium des Publikums wieder allerhand einfallen lassen. Regisseur Simon Solberg nahm nämlich einige wenige Ingredienzen vom epischen Opus "Argonautika" von Apollonios Rhodios und machte daraus eine (für das Publikum vergnügliche) Reise zum Goldenen Vlies.
Kathrin Rögglas Sprachgewalt lässt Dramaturgenherzen schneller schlagen. Der Katastrophenjargon in Konjunktiv und indirekter Rede kalkuliert des Zuschauers Verwirrung mit ein. Wenn das Abgleiten der Aufmerksamkeit in die Resignation droht, setzt der Regisseur Lukas Bangerter im Schauspielhaus Wien auf Bürogymnastik, Kaffeeautomatenballett oder Cha-Cha-Cha-Einlagen zur Auflockerung.
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