Ein Gespräch mit Anna Ternheim über wichtige musikalische Einflüsse und über die Gratwanderung zwischen sparsamer Instrumentierung und Pop.
Anna Ternheim: Wirklich? Komisch, keine Ahnung woher diese Info kommt (schmunzelt)? Leonard Cohen, Tom Waits und Neil Young ist die Musik, mit der ich aufgewachsen bin, die ich von meinen Eltern her kenne. Ich habe früher auch Grunge, also z.B. Pearl Jam und Nirvana gehört! Als ich dann selbst begonnen habe, Gitarre zu spielen war ich ein großer Fan von Elliot Smith Nick Drake, Sinead O'Connor oder den Cranberries. Später habe ich Depeche Mode, The Cure oder The Smiths gehört. Dazwischen war aber auch viel Brit-Pop oder Country-Musik auf meiner Play-List! Vom Gesang her haben mich wahrscheinlich Bob Marley oder Nina Simone am meisten beeinflusst. Ich bin in punkto Musikgeschmack ziemlich offen, höre mir gerne Verschiedenes an. Aber zurück zu deiner Frage: Ich kann mich echt nicht erinnern, jemals Leonard Cohen, Bob Dylan oder Tom Waits als meine wichtigsten Einflüsse bezeichnet zu haben.
Anna Ternheim: Das ist ein Titel mit mehreren Deutungsmöglichkeiten. Ich mag die Idee nicht, dass Dinge verloren gehen. Du lebst dein Leben, wirst älter und auf einmal ist es zu spät für bestimmte Entscheidungen bzw. Veränderungen. Vielleicht kann man in sich selbst einen Platz finden, in dem immer noch alles möglich ist? Das Album dreht sich viel um dieses Thema. Was du einmal hattest, was du verloren hast und/oder hoffst, einmal zu besitzen. Aber am Ende dreht sich neue Album natürlich auch viel um die Liebe (schmunzelt)!
Anna Ternheim: Einerseits ist Tom ein Freund von Björn Yttling, meinem früheren Produzenten, daneben hat er einige Platten mit Bands aufgenommen, die ich sehr mag. So z.B. das Album "Cripple Crow" von Devandra Bernhart. Dieses Album klingt wirklich gut, das habe ich mir oft angehört. Tom hat auch die Band Brightblack Morning Light produziert und einige andere irgendwie so dunkle, obskure Bands. Ich mag diesen ganz bestimmten Sound, den man bei seinen Produktionen hören kann. Daraufhin habe ich Tom kontaktiert, er mochte meine Songs und hat zugesagt.
Anna Ternheim: Hauptsächlich in einem Studio in der Nähe von L.A. Wir haben das Album dort im letzten Frühjahr aufgenommen. Als die CD dann eigentlich fertig sein sollte, habe ich gemerkt, dass ich mit dem Ergebnis noch nicht ganz zufrieden bin. Ich habe dann in einem Studio in Stockholm weiter an den Aufnahmen gearbeitet. Obwohl es nur Kleinigkeiten waren, hat das dann noch einige Zeit gedauert.
Anna Ternheim: Nein, ich habe Neal nur ein paar Mal getroffen. Ich kam zu Neal über meinen Produzenten Tom, die beiden waren befreundet. Neal war ein wunderbarer Gitarrist, und ist auf ein paar Liedern meines Albums zu hören. Neal war auch ein extrem netter Mensch, und ich war über die Nachricht von seinem Tod sehr schockiert! Ich hatte schon ein bisschen das Gefühl, dass Neal auch eine dunklere Seite hat, aber mit seinem überraschenden, tragischen Tod hat natürlich niemand gerechnet.
Anna Ternheim: Einer meiner Favoriten am Album ist "You belong with me". Für diesen Song habe ich die Wörter wie Szenen für einen Kinofilm geschrieben. Da kann man viel hinein interpretieren. Es ist keine lange Geschichte, sondern nur ein paar Bilder, die ich dem Zuhörer vermitteln will. Es geht um das Gefühl, wenn du dich verliebst und die Welt durch eine rosa Brille siehst, obwohl du tief drinnen vielleicht schon ahnst, dass die Beziehung nicht funktionieren wird.
Anna Ternheim: "Walk your own way" mag ich auch sehr. Ich mochte immer Elliott Smith sehr und die Art, wie er Gitarre spielt. Eigentlich sollte das ganze Album mehr Gitarren-orientiert klingen, aber die Songs tendierten mehr in Richtung Pop. Aber auf "Walk your own way" ist mehr Gitarre zu hören, und da spielt auch Neal Casal mit. Wir haben das Lied fast nur in einem Take aufgenommen, mit den beiden Gitarren und meiner Stimme. Es gab dann nur noch ganz wenige Overdubs. Dieser Song ist auch die Art Songwriting, in der ich mich am wohlsten fühle. Inspiriert ist das Lied von einem Freund, dessen Vater kürzlich gestorben ist.
Anna Ternheim: Wir haben bei "Oh Mary" verschiedene Versionen aufgenommen. Eine mit einem größeren Arrangement, aber am Ende dachte ich mir, dass es eine sparsam arrangierte Version besser wäre, um den Text am besten wirken zu lassen. Zu Beginn des Albums hatte ich eigentlich zwei Ideen. Einerseits wollte ich stärker an meinem Songwriting arbeiten, wollte bessere Songs schreiben, bin also mit den Songs schon ein wenig in Richtung Pop gegangen, andererseits wollte ich aber auch ein sehr zurückgenommenes, sparsam instrumentiertes Album aufnehmen. Diese beiden Vorstellungen sind dann irgendwann während der Produktion regelrecht kollidiert! Ich hatte dann Lieder, die echt nach großen Pop klangen, also warum nicht mit großem Arrangement instrumentieren? Und das Album mit den sparsam instrumentieren Songs kann ich ja später auch noch machen (schmunzelt)!
Anna Ternheim: Hihi, das ist ein Fake und sieht nur so aus! Der See ist gar nicht gefroren und wir mussten ein bisschen tricksen, um dieses Bild zu machen. Der See ist in Connecticut, also nicht weit weg von meinem derzeitigen Wohnort New York und wir haben da einfach ein paar Sachen im Wasser aufgetürmt, damit es auf dem Bild so aussieht, wie wenn ich auf dem See stehen würde! Das war aber ziemlich viel Arbeit (schmunzelt)!
Anna Ternheim: Nicht wirklich. Einerseits genieße ich die Tour, es ist toll, die Songs, an denen man so lange gearbeitet hat, endlich live zu performen, aber das Tour-Leben selbst kostet viel Energie und ist anstrengend. Der Tag von meiner Band und mir startet meistens mit dem Soundcheck, dann gibt es Abendessen, und dann spielen wir die Show. Später reisen wir in die nächste Stadt, und da geht dann das Ganze wieder von vorne los. Deswegen bin ich dann tagsüber meistens ein bisschen lazy und zu schwerfällig, um die Stadt zu erkunden oder in Museen zu gehen. Immerhin habe ich diesmal ein Fahrrad mit dabei, und meine Kamera. Also schwinge ich mich manchmal aufs Rad oder gehe spazieren. Aber alles andere ist mir auf Tour ehrlich gesagt meistens zu mühsam (schmunzelt)! //
Interview: Robert Fischer
Fotos: Chris Shonting

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