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Sehen Sie, wie weit wir gekommen sind. In diesem exotischen Drama sind Sie die Helden.
Die eigene Rolle kann man sich in diesem höchst manipulativen Rundgang nicht aussuchen. Wir sind Täter, die Ausgestellten die Opfer. Mehr oder weniger freiwillig gibt eine schwarze Frau dem Aufseher ihr Kleid, schlüpft in ein Paar Stöckelschuhe und stellt sich selbst auf den Sockel. Dazu ertönt das "Ave Maria", gelegentlich durchbrochen von afrikanischer Musik. Nach und nach werden die Besucher von farbigen Kindern an der Hand genommen und in die Ausstellung geführt. Kinder haben immer etwas unschuldiges, da drückt das schlechte Gewissen gleich noch mehr.
Eden
Im ersten Raum "Eden" begegnet man der Geschichte der Herero, einem Stamm in Deutsch-Südwestafrika (heute: Namibia), der durch die deutschen Kolonialherren systematisch dezimiert wurde. Dieses Massaker von 1904 ging als der erste "anerkannte" Völkermord des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Vor der Vernichtung wurde das Menschenmaterial vermessen und erforscht. Hautfarbentabellen zählen da noch zu den harmlosen Methoden. Die für die Festwochen inszenierten lebenden "Objekte" blicken dem Besucher direkt in die Augen, was zusätzlich ein mulmiges Gefühl erzeugt. Welche Erfahrungen die durchwegs hier ansässigen Schausteller damit machen, kann man im letzten Raum nachlesen.
Ein Platz an der Sonne
Nach den historischen Greueltaten, zu denen auch der ausgestopfte Angelo Soliman gezählt wird (der mehr als hundert Jahre früher gelebt hat und bereits zu Lebzeiten eine anerkannte Persönlichkeit war), wird man mit Asylwerbern aus Namibia, Ghana und Nigeria konfrontiert. Vom vierten sind nur noch die Schuhe da. Er wurde abgeschoben. Wie das in der Praxis aussehen kann, sieht man im nächsten Raum. Dort sitzt der mit Klebebändern gefesselte Omofuma.
Glücklicherweise haben wir diese Art von rassistischer Barbarei überwunden. Oder haben wir das etwa nicht?
Der südafrikanische Theatermacher Brett Bailey schwingt sich zum Opferanwalt auf. Waren seine plakativen Bilder der afrikanischen Hölle in Orfeus noch in eine Geschichte eingebunden, verzichtet er in Exhibit A: Deutsch-Südwestafrika großteils auf eine theatralische Brechung. Sorgfältig arrangiert muss diese undifferenzierte Aneinanderreihung beim Besucher zu Schuldgefühlen führen. So ist es auch. Ob Betroffenheit allerdings der richtige Ansatz gegen Rassismus ist, darf bezweifelt werden. (Text: Christine Koblitz; Fotos: Nurith Wagner-Strauss)
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Kurz-Infos: Exhibit A: Deutsch-Südwestafrika Bewertung: @@@ Installation / Kapstadt, Wien / URAUFFÜHRUNG Für Besucher ab 16 Jahren
INSZENIERUNG, KONZEPT und AUSSTATTUNG/ Brett Bailey DRAMTURGIE/ Wolfgang Lamsa REQUISITE / Bernhard Kunz, Ramon Villalobos Kröll KOSTÜM / Markus Kuscher
MIT Steven Stefanus Afrikaner, Kehinde Akinleye, Ken Paul Chukwunonye, Franca Ibegbulem, Lamin Jammeh, Mathilda Joseph, Thereza Kahorongo, Wolfgang Lamsa, Anna Louw, Miriam Mukosho, Vevangua Christof Muondjo, Chris Christiaan Nekongo, Avril Nuuyoma, Raphael Ogbonna, Chuma Sopotela, Marcellinus Swartbooi, Josef Petrus van der Westhuizen
KINDER Anette Agyemang, Astrid Agyemang, Franciska Agyemang, Daniel Ibegbulem,Jerry Ibegbulem, Chukwuma Nnamdi, Jeany Nwanana, Dorothea Adelaide Piba, Ifeami Offor, Adrian Oshioke, Brainah Sarpong
KOPRODUKTION Third World Bunfight, Kapstadt, Festival Theaterformen, Braunschweig/Hannover, Wiener Festwochen IN ZUSAMMENARBEIT MIT Museum für Völkerkunde Wien
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